Holger Mühlbauer-Gardemin nennt seine Kunst Fotopopart, aber inzwischen geht es mit expressiver Farbigkeit darüber hinaus. Über die Kombination von analoger und digitaler Kunst – ein
Atelierbesuch in Wilhelmshaven.
Von Helge Stroemer (Text, Fotos), kunstStory, 21.11.2023
Die ehemaligen Gebäude des kaiserlichen Marine-Bekleidungsamts in Wilhelmshaven werden heute als Wohnraum genutzt. Außerdem haben Sportvereine hier ihre Räume. Der ganze
denkmalgeschützte Baukomplex nennt sich Kaiserlofts (solche Namen denken sich Immobilienunternehmen aus).
Aber auch Künstler haben in einem der Gebäude ihre Räume. Von außen ist es renoviert, aber innen, da hat das Ganze noch etwas von alter Kaserne. Große Treppenaufgänge, hohe Räume,
Eisentüren. Es riecht auch noch nach alten Zeiten.
Von Muffigkeit ist im Atelier dennoch nichts zu spüren. Farbenfrohe Bilder hängen im Flur. Der Künstler Holger Mühlbauer-Gardemin (61) geht zu seinem Arbeitsbereich rechts hinten
am Fenster.
Pinsel stehen in Eimern. Farbtöpfe sind übereinander und Leinwände mit den verschiedensten Motiven hintereinander gestellt. Auf den Tischen kleben Farbkleckse aller Art und
Verpackungsmaterial steht herum, um die Werke hinaus in die Welt zu schicken. Denn Mühlbauer-Gardemin verkauft seine Bilder in ganz Europa und in die USA. Viele Verkäufe laufen im
Internet über Kunstportale wie Singulart, ars mundi oder Artmajeur.
Beinahe täglich bedient er seine Social Media-Kanäle. Er postet Beiträge bei Facebook, LinkedIn und WhatsApp. Über Instagram, so seine Erfahrung, erreicht er seine
internationalen Käufer am besten.
Mühlbauer-Gardemin arbeitet bis heute auch als Grafikdesigner und ließ sich zudem zum Kunstmaler ausbilden (Bad Pyrmont, Bremen). Seit ein paar Jahren hat er einen Zweitwohnsitz
in Hamburg.
Hier schaut er sich in der Kunstszene um und lässt sich inspirieren. In der Hansestadt (und in anderen Städten) werden seine Bilder aber auch in Galerien präsentiert – zum
Beispiel popstreet.shop und in der Galerie EventArt in Dresden.
Sein persönliches Ausstellungs-Highlight hatte er auf der Hannover Kunstschau 2017. Dort wurden seine Werke neben denen von Pablo Picasso, Joseph Beuys und Andy Warhol
präsentiert.
Mühlbauer-Gardemin ist produktiv. Jede Woche entstehen neue Bilder. "Ich habe eine Idee und denke, dass das ein gutes Bild werden könnte. Das Motiv muss stimmen. Dann fange ich
an. Fertig", sagt er.
So einfach ist es natürlich nicht, denn der Künstler kombiniert analoge und digitale Malerei miteinander. Manchmal ist die Vorlage ein Foto, manchmal aber eben auch nicht.
"Ich habe es erst Fotopopart genannt. Jetzt sage ich manchmal einfach nur Expressionismus dazu, weil ich finde, dass meine Bilder expressionistisch sind." Wobei er den Begriff
eher im Wortsinn von expressiv meint, also ausdrucksstark und nicht als kunsthistorische Einordnung.
Die Vorgehensweise erfolgt in mehreren Schritten. Mühlbauer-Gardemin beginnt mit Acrylfarbe, grobe Pinselstriche auf eine Leinwand zu malen, um so eine abstrakte Struktur zu
schaffen. "Der Strich muss gut aussehen, der muss wirken und mich emotional berühren."
Anschließend fotografiert er diese farbliche Basis. Nachdem er ein Motiv ausgewählt hat, das ihm gefällt, kombiniert er die zuerst entstandene abstrakte Farbstruktur mit dem Motiv
auf dem Tablet und bearbeitet das Ganze nun digital.
Das Ergebnis wird dann an eine Druckerei geschickt, die davon ein Bild auf einer Leinwand herstellt. Nachdem ihm das neu entstandene Bild zugeschickt wurde, veredelt er es zum
Schluss mit Pinsel und Acrylfarbe.
"Ich male, worauf ich Lust habe. Das kann ein Porträt oder eine Landschaft sein. Ich male nicht, was sich am besten verkauft." Das könne er außerdem gar nicht genau sagen.
Mal verkauft er ein Porträt von einem Musiker oder einer Schauspielerin, mal ein Motiv vom Hamburger Hafen, mal Donald Duck. "Ich biete viele verschiedene Stilrichtungen an."
Die Kritik, dass er häufig ein Foto als Vorlage verwendet, kann er nicht verstehen. "Das ist Denken von Vorgestern. Für mich ist klar, dass man Fotos und die digitale Welt mit
einbeziehen muss. Es entsteht ja ein neues Bild, ein Unikat."
Gerade die Verbindung von handwerklichem Arbeiten mit Leinwänden, Pinsel und Farbe sowie das künstlerische Gestalten von neuen Welten am Computer begeistern ihn. Die Erschaffung
einer neuen Bildästhetik – das macht für ihn die Faszination aus.
Website des Künstlers: https://fotopopart.de